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Billet de blog 2 décembre 2013

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Basisdemokratie mit G’schmäckle

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Illustration 1
Da ist er ja wieder... © euroJournal / KL

(Kai Littmann) – Was für eine seltsame Stimmung in Berlin! Obwohl alle Umfragen eine deutliche Mehrheit der Deutschen pro Große Koalition sehen, traut man in Berlin dem Braten noch nicht ganz. Denn die Umfragen werden in einem repräsentativen Personenkreis durchgeführt und das sind nicht diejenigen, die darüber abzustimmen haben, ob es nun eine Große Koalition gibt oder nicht. Das tun nämlich nur die SPD-Mitglieder. 475.000 Bundesbürgerinnen und –Bürger. Von denen nur knapp 94.000 tatsächlich abstimmen müssen, damit die Abstimmung gültig ist. Da diese aber wiederum nur ungefähr 0,12 % der Bundesbürger ausmachen, bleibt es spannend. Denn vielen Sozialdemokraten graust es immer noch, eine Regierung Merkel 3.0, mit Kollegen wie Hans-Peter Friedrich im Innenministerium oder Peter Ramsauer im Verkehrsministerium bei der Schlacht um die Maut in den Sattel zu hieven.

Auch, wenn das ganze Prozedere gerade als ein Gewinn für die Demokratie verkauft wird, bleibt ein G’schmäckle. Denn dieses Vorgehen war nicht etwa als ein neuer Demokratieansatz der SPD im Vorfeld der Wahlen angekündigt worden und auch hat man diese Grundsatzentscheidung leider auch nicht vor den Wahlen durchexerziert. Das wäre richtig neu demokratisch gewesen. Doch auch angesichts der enormen logistischen Probleme bei dieser Mitgliederbefragung hat man das Gefühl, als habe sich die Parteispitze diese Entscheidung durch die SPD-Mitglieder ziemlich aus dem Ärmel geschüttelt.

Daher rührt auch die Verbitterung vieler SPD-Mitglieder, die man hört, ohne zu wissen, ob sie eine mehrheitsfähige oder eine Minderheitsmeinung ausdrücken. Wer weiß, ob nicht die Basis das Gefühl hat, als opfere man die Prinzipien der Sozialdemokratie für Angela Merkel.

Und dann kommt auch noch Andrea Nahles und macht ein „unmoralisches Angebot“, indem sie mehr oder weniger den Abschied des ganzen Parteivorstands im Falle einer Ablehnung ankündigt. Einfacher könnte man als Partei seinen Vorstand auch nicht mehr loswerden – in der FDP ist man sicher neidisch geworden und hat sich gewünscht, man hätte zwei Jahre vor den Wahlen über so ein Werkzeug verfügt. Wer sich in der SPD also etwas frischen Wind wünscht, der bekommt es nie einfacher gemacht als jetzt…

Mitten hinein in das gegenseitige (und für niemanden außer den drei Parteichefs nachvollziehbaren Gründen) Schweigegelübde bezüglich der Vergabe von Ressorts und Ministerposten, meldet sich auch rechtzeitig aus der Versenkung Peer Steinbrück wieder zu Wort. Mit dem guten Tipp, die SPD möge doch das wichtige Finanzministerium fordern. Da wird sich aber Merkels Europa-Geländewagen Wolfgang Schäuble freuen! Das ist aber mal eine prima Taktik des, na ja, nicht ganz so erfolgreichen Kandidaten – mitten hinein in die Abstimmung für ordentlich Zoff um das Finanzministerium sorgen, um die Mitglieder davon zu überzeugen, wie harmonisch und effizient diese Große Koalition die Geschicke des Landes lenken wird. Peer Steinbrück wusste eben schon immer, wie man die Menschen für sich gewinnt.

Ob das alles so in Ordnung ist, dass jetzt zwischen 94.000 und 470.000 Menschen bestimmen, wie die anderen knapp 80 Millionen in den nächsten vier Jahren regiert werden, werden am Ende ohnehin die Verfassungsrechtler klären müssen. Das ist immer so – wenn die Politik die Dinge nicht geregelt bekommt, regiert eben das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

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