
(Kai Littmann) – Im Grunde ist es egal, ob es nun eine halbe Million Franzosen sind (Angaben der Organisatoren von „Manif pour tous“) oder ein paar Zehntausend (Angaben der Polizei) – die französischen Konservativen und Rechtsextremen haben die Ausdrucksform der Großdemo für sich entdeckt und marschieren nun regelmäßig an den Wochenenden durch die großen Städte und teilen jedem mit, der es hören will, dass sie von François Hollande die Schnauze voll haben.
Gründe zur Unzufriedenheit hat mittlerweile auch fast jeder Franzose. Entweder zählen die Franzosen zum Rekordheer der Arbeitslosen, oder aber die Konservativen verteidigen notfalls mit schierer Gewalt ein schon etwas angestaubtes Familienbild und protestieren gegen die Homosexuellen-Ehe, andere marschieren bei diesen Wochenenddemos mit, weil sie offen antisemitisch eingestellt sind und was sich da grade jedes Wochenende durch die Innenstädte schlängelt, ist ein hoch explosiver Zug der Frustrierten. Und gefährlich ist diese Entwicklung noch dazu.
Denn diese konservative Protestbewegung ist nicht etwa auf die Zukunft und positive Projekte ausgerichtet, sondern pflegt einen Nationalismus, der seinen Ursprung im Jahr 1789 hat – was man nicht zuletzt daran erkennt, dass die Demonstranten gerne die Symbole der französischen Revolution tragen. François Hollande ist sicherlich ein sehr schwacher Präsident, aber gleich ein Tyrann?!
Das, was diese Superkonservativen grade auf die Straße tragen, werden sie bei den nächsten Wahlen auch in den Urnen ausdrücken. Speziell die Europawahlen im Mai stellen für die Franzosen die Gelegenheit dar, es dem ungeliebten Hollande einmal richtig zu zeigen. Da aber auch die Konservativen der UMP darin wetteifern, wer öffentlich am schwächsten wirkt, muss man mit einem erdrutschartigen Sieg des rechtsextremen „Rassemblement Bleu Marine“ rechnen – hinter diesem hübschen und bunten Namen versteckt sich niemand anderes als die rechtsextreme Marine Le Pen.
„Aufwachen!“, möchte man den französischen Nachbarn zurufen, denn die Grande Nation stürmt gerade mit offenen Augen und Jubelgeschrei in eine Katastrophe. Sollten in Frankreich tatsächlich die Rechtsextremen (Europagegner) ans Ruder kommen, stellt dieses für die europäische Kohärenz eine große Gefahr dar. Dabei muss sich Marine Le Pen nicht einmal Mühe geben, sondern nur die ewig gleichen Parolen wiederkäuen, die ihr Parteigründer und Papa Jean-Marie Le Pen in die Wiege gelegt hat. Die Wählerinnen und Wähler treiben ihr schon die etablierten Parteien von ganz alleine ins Netz.
Wenn man Franzosen fragt, wofür Marine Le Pen steht, hört man allen möglichen Blödsinn, aber selten Fundiertes. Dass Marine Le Pen Frankreich aus dem Euro und am liebsten auch aus der EU hinausführen würde, das scheint viele potentielle Wähler der Rechtsextremen nicht so richtig zu stören. Vermutlich, weil sich noch niemand Gedanken gemacht hat, dass auch Frankreich mittlerweile schwer angeschlagen am europäischen Tropf hängt und ganze Bereiche wie die französisch Landwirtschaft ohne europäische Hilfen schon gar nicht funktionieren würden.
Doch den Unsinn eines EU-Ausstiegs macht Marine Le Pen mit dem Anschieben eines neuen französischen Nationalismus wieder wett. Und der ist mehr als ungesund. In einer Zeit, in der sich überall in Europa die Erkenntnis durchsetzt, dass europäische Probleme auch nur europäisch gelöst werden können, ist der neue Nationalismus à la Marine Le Pen nicht nur ziemlich kurz gedacht, sondern geradezu gefährlich. Die von Marine Le Pen angestrebte Isolierung Frankreichs verkauft sie zwar nicht ungeschickt im „Jeanne d’Arc-Modus“, aber diejenigen Franzosen, die den Sirenengesängen der Rechtsextremen erliegen, werden diesen Fehler teuer bezahlen. In Deutschland weiß man darüber eine ganze Menge, was passieren kann, wenn ein Volk einem Verführer folgt.
Doch müssen sich jetzt auch einmal die allzu selbstgefälligen Spitzen der traditionellen Parteien einmal an die eigene Nase fassen. Denn wenn heute halb Frankreich zornig auf die Straße geht, dann liegt es daran, dass das politische Establishment Frankreichs mehr an seinen Skandalen und Skandälchen interessiert ist, die eigenen Machtspiele weitaus wichtiger zu sein scheinen als eine gute Politik für Frankreich und es ist diese unglaublich Schwäche, Visions-Armut und Perspektivlosigkeit, gepaart mit schamloser Ausnutzung von „Machtpositionen“, die den rechtsextremen Kräften die Menschen zutreibt. Le Pen muss eigentlich nur noch all die Frustrierten einsammeln, die PSUMPUDI und Co. unterwegs verloren haben.
Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, wie gefährlich solche populistischen Massenbewegungen sein können. Frankreich, das Land der Erleuchtung, der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte muss nun aufpassen, nicht der Brandherd zu werden, der morgen schon den ganzen Kontinent wieder mit Feuer und Elend überziehen kann.