
(Kai Littmann) – Rechtzeitig vor Beginn der Sondierungsgespräche darf sich Angela Merkel mit der CDU/CSU über neue Spitzenwerte in den Umfragen freuen. Wären heute erneut Bundestagswahlen, käme die CDU/CSU auf satte 45 % der Stimmen, die SPD würde auf 24 % absinken, Grüne und Die Linke kämen beide auf 8 %. Die AfD würde mit 6 % in den Bundestag einziehen und die FDP würde ihren Gang in die Bedeutungslosigkeit mit mittlerweile 3 % fortsetzen. Diese Zahlen sind ein weiterer Trumpf für die Kanzlerin in den kommenden Verhandlungen - denn nun kann sie auch mit dem Gespenst der Neuwahlen drohen, bei denen die versammelte Linke (die ja nicht in der Lage ist, gemeinsam zu handeln und zu denken) nur noch auf 40 % - unter diesen Umständen braucht sich niemand mehr Gedanken über Rot-Rot-Grün zu machen: Die Realitäten haben das politische Wunschdenken überholt.
Dies erklärt auch die Spitzen, mit denen gerade die CDU-Führung auf ihre potentiellen Koalitionspartner schießt. So ist der CDU-Führungsriege die Teilnahme von Jürgen Trittin an den Sondierungen unangenehm und man setzt sich lächelnd über den Wunsch der SPD hinweg, die gerne Parallel-Verhandlungen verhindert hätte. Doch die SPD ist eigentlich gar nicht in der Lage, die Spielregeln für das festzulegen, was nun kommen wird. Diese Regeln bestimmt im Moment „Mutti“, die sich Tag für Tag mehr in ihrer Rolle bestätigt sieht, einer Rolle, die eine seltsame Mischung aus Inge Meysel, Margaret Thatcher und Mutter Beimer ist.
Die aktuellen Umfragen ergeben noch mehr Erstaunliches – so stellt sich heraus, dass auch eine Kandidatin Hannelore Kraft nicht mehr Stimmen gegen Angela Merkel geholt hätte als ihr glückloser Kollege Peer Steinbrück. Beide wären nur auf 25 % gegenüber 57 % für Angela Merkel gekommen und noch schlechter hätte es ausgesehen, wäre Sigmar Gabriel als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen.
Und – die Deutschen scheinen sich die Große Koalition zu wünschen. Die Konstellation Schwarz-Grün würde nur 10 % der Befragten gefallen, weniger noch als es Befürworter einer Minderheitsregierung gibt (11 %). Doch ist die Minderheitsregierung ein im deutschen politischen Alltag quasi unbekanntes Konzept und angesichts ihrer aktuellen Stärke hat die Kanzlerin wenig Veranlassung, sich auf ein solches politisches Abenteuer einzulassen.
Mit den Zahlen der Umfragen im Rücken kann Angela Merkel nun in aller Ruhe verhandeln – sollten ihr die SPD und die Grünen zu sehr zusetzen, kann sie immer noch Neuwahlen herbeiführen und dabei den Wählerinnen und Wählern klarmachen, dass leider beide potentiellen Partner nicht bereit waren, das demokratische Spiel der Koalitionsverhandlungen ernsthaft zu spielen. Nachdem sowohl SPD als auch Grüne seit der Wahl überall verkünden, dass man nicht dafür aufgestellt sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen, darf man tippen, wie solche Neuwahlen ausgehen könnten. Angela Merkel würde in diesem Fall ganz klar das Ziel „50+“ in Angriff nehmen. Also doch „Merkelland“?