
(Berlin, KL) – Überraschung, die Berliner Luft am Vorabend der Bundestagswahl brennt nicht. Sie knistert nicht einmal. Die Hauptstadt beschäftigt sich mit ihren Touristen, am Potsdamer Platz hat niemand Lust, auf Fragen zu den Wahlen zu antworten. Bis auf einen Berliner Taxifahrer, der prophezeit, dass die Wahlbeteiligung in Berlin sehr gering sein wird. „Weeste, morjen is verkoofsoffna Sonntach – da können die Verkäuferinnen alle schon mal nich zur Wahl jehn…“. Ansonsten ist die großartige Inszenierung des Potsdamer Platzes offensichtlich für alle Besucher interessanter.
Ortswechsel. Vor der CDU-Zentrale lächelt die Kanzlerin von einem gigantischen Plakat milde auf die Berliner. Vor dem Gebäude, eine schier endlose Reihe von Übertragungswagen. Alles bereitet sich auf ein langes Medienevent am heutigen Sonntag vor. Business as usual. Kabel werden verlegt, Equipment wird gecheckt, es wird gearbeitet. Über die Wahlen zu sprechen interessiert hier niemanden. Es wäre das gleiche, wenn hier morgen ein Staatsbesuch oder ein Rockkonzert wäre.
Weiter zum Breitscheidt-Platz. Immerhin haben die Grünen ihre Aktion „72 Stunden ohne Schlaf“ bundesweit angekündigt. Die Glaskuppel vor der Gedächtniskirche ist zwar nur ein durchsichtiges Plastikzelt, aber immerhin wird hier so etwas Wahlkampf gelebt. Wirklich? Dann wieder doch nicht – Zutritt haben nur Parteifreunde, also diejenigen, die es jetzt wirklich nicht mehr zu überzeugen gilt. Der muskelbepackte Türsteher, der so wirkt, als habe man ihn direkt von der Tür einer Szene-Disko engagiert, will von Presseausweis und ähnlichem nichts wissen. Aber Wahlkampf nur für die eigenen Mitglieder? So etwas kann sich doch eigentlich nur eine Partei leisten, die das Gefühl hat, bereits genug Wählerinnen und Wähler zu haben… egal, immerhin war dies die erste echte Spur dieses Wahlkampfs. Besser als nichts.
In den Außenbezirken sieht man natürlich Wahlplakate. Jede Menge sogar. Mit den Slogans, die uns schon in den letzten Wochen nicht so richtig hinter dem Ofen vorgelockt haben. Das ist also der Vorabend der so wichtigen Bundestagswahl in der Hauptstadt. Würde heute Hertha BSC nicht in Freiburg, sondern in Berlin spielen, wäre in der City sicherlich mehr los. Aber vielleicht steigt die Spannung ja heute im Laufe des Tages doch noch. Spätestens aber ab 18 Uhr – denn so gelangweilt Berlin dieser Wahl entgegen dämmert, so spannend könnten heute die Ergebnisse werden. Und vielleicht kommt dann doch ein wenig Wahlstimmung in der Hauptstadt auf…